Gesetz bietet kaum mehr Schutz

Fotolia_26743113 © seen / Fotolia.comSeit gut einem halben Jahr ist das Patientenrechtegesetz in Kraft. Die Stellung der Patienten stärkt es nicht, meint Rechtsanwalt Volker Hertwig in einem Beitrag für das AOK-Forum für Politik, Praxis und Wissenschaft G + G Gesundheit und Gesellschaft Ausgabe 11/2013. Denn der Gesetzgeber hat im Großen und Ganzen nur die gängige Rechtsprechung in Paragrafen gegossen.

 

Am 26.02.2013 ist das sog. „Patientenrechtegesetz“ in Kraft getreten. Sinn und Zweck sind bereits im Vorfeld kritisch diskutiert worden. Auffallend in der Diskussion war die diesbezügliche Einigkeit zwischen sog. „Patientenanwälten“ und den Kollegen von der „Behandlerseite“, dass das Gesetz nicht benötigt würde, da die Rechtsprechung alles geregelt habe.

 

Tatsächlich war der Gesetzgeber wenig kreativ. Er hat sich darauf beschränkt, im Patientenrecht die meist bereits seit Jahrzehnten geltende Rechtsprechung zu dokumentieren, mehr oder weniger handwerklich gelungen. Einwilligung und Aufklärung, Dokumentationen und Einsichtnahme in die Patientenakte sind „gute alte Bekannte“ ,jetzt mit viel Liebe zum Detail niedergeschrieben, ohne jedoch die Rechtsposition des Patienten wesentlich zu verbessern. Die neue Verpflichtung, dem Patienten nunmehr den vom ihm unterzeichneten Aufklärungsbogen in Kopie auszuhändigen, mag das Risiko nachträglicher Manipulationen begrenzen.

 

Für die im Arzthaftungsprozess eigentlich spannenden  Fragen der Beweislast hat der Gesetzgeber nur einen einzigen (von acht) Paragraphen. Dabei ist es – leider – bei der doppelten Beweislast für den Patienten verblieben. Nach wie vor muss der Patient dem Arzt sowohl einen Behandlungsfehler nachweisen als auch beweisen, dass sein Gesund-heitsschaden nicht auf seiner ursprünglichen Erkrankung beruht, sondern auf dem Behandlungsfehler (Kausalität). Eine Ausnahme gilt – wie bisher – nur für den groben Behandlungsfehler, der jedoch vom Gesetzgeber nicht definiert wird und lt. Rechtsprechung gegeben sein soll, wenn der Fehler „ aus objektiver Sicht nicht mehr verständlich erscheint“. Der geschädigte Patient muss also weiterhin darauf vertrauen, bei den sich durch mehrere Gerichtsinstanzen ziehende „Gutachterschlachten“ nicht unter die Räder zu kommen. Dass der Arzt nunmehr – erst auf Nachfrage – dem Patienten etwaige Umstände eines Behandlungsfehlers offenbaren soll, wird angesichts der strikten Drohung der Haftpflichtversicherer, bei einem „Geständnis“ den Versicherungsschutz zu entziehen, wahrscheinlich wenig praktische Relevanz haben.

 

Die geringfügig modifizierte Verpflichtung der Krankenkassen, dem Patienten bei der Durchsetzung von Ansprüchen behilflich zu sein, insbesondere durch Gutachten des MDK, war – jedenfalls für den Verfasser – bislang schon gelebte Realität. Schließlich haben die Krankenkassen ein ureigenes Interesse, die ihnen selbst durch Fehlbehandlung von Patienten entstandenen Kosten, insbesondere Nachbehandlungskosten, Pflegeaufwendungen etc. gegen den Schadensverursacher durchzusetzen.

 

Das Gesetz bietet allerdings eine Möglichkeit, die Auseinandersetzungen zu entemotionalisieren, da das Arzt-Patientenverhältnis nunmehr ausdrücklich als Vertrag definiert wird und somit ein Behandlungsfehler sachlich als Vertragsverstoß und nicht mehr als strafrechtliche Körperverletzung zu werten ist.

 

Und ein Gesetz lässt sich – bei neuen politischen Mehrheiten - leicht ändern. Allein die zweimalige Streichung des „groben“ Behandlungsfehlers in § 630 h Abs. 5 BGB würde die Prozesschancen von Patienten entscheidend erhöhen, weil dann die Arztseite beweisen müsste, dass ein nachgewiesener Behandlungsfehler folgenlos geblieben ist.

 

Bis dahin bleibt als Fazit: Jurastudenten werden für das Examen acht neue Paragraphen lernen müssen, im gerichtlichen Alltag des Arzthaftungsprozesses wird sich jedoch wenig ändern; und wahrscheinlich auch nicht im Behandlungszimmer oder Operationssaal!