(und wie man sich dagegen wehrt)
In den heutigen Zeiten niedriger Zinsen nimmt die von der Kreditwirtschaft verlangte Vorfälligkeitsentschädigung oftmals beträchtliche Ausmaße an. Seit den Entscheidungen des BGH vom 01.07.1997 (XI ZR 267/96 und XI ZR 197/96) steht fest, dass der Kreditnehmer einen Anspruch auf Einwilligung in die vorzeitige Kreditabwicklung gegen Zahlung einer Vorfälligkeitsentschädigung hat, die die Interessen des Darlehnsgebers wahrt. Ein solcher Anspruch des Darlehnsnehmers besteht allerdings nur, wenn er ein berechtigtes Interesse an der Vertragsauflösung hat. Dies wird nur für bestimmte Fallgruppen angenommen, z.B. Verkauf der Immobilie oder ein Nachfinanzierungsbedarf, der vom bisherigen Kreditgeber nicht gedeckt werden kann. In derartigen Fällen darf die Bank nicht jeden x-beliebigen Preis nehmen sondern muss die Differenz zwischen ihrer „vertraglich geschützten Zinserwartung“ und dem Wiederanlagezins einschließlich aller Vorteile, die ihr aus dem vorzeitigen Rückfluss der an sich weiter gebundenen Darlehnsmittel zufließen, errechnen.
1. Vertraglich geschützte Zinserwartung:
Insoweit ist stets zu prüfen, ob überhaupt wirksam ein Darlehnsvertrag zustande gekommen ist mit einer den Darlehnsnehmer bindenden Festlaufzeit. Oftmals entsprechen die Widerrufsbelehrungen in den Darlehnsverträgen nicht den vom Gesetz (§§ 355, 495 BGB) geforderten Voraussetzungen, so dass die Widerrufsfrist noch nicht zu laufen begonnen hat und der Vertrag noch widerrufen werden kann. Oftmals entspricht der Darlehnsvertrag auch ansonsten inhaltlich nicht den gesetzlichen Anforderungen (§§ 492 ff. BGB). Ist dies der Fall, besteht überhaupt kein Anspruch auf Vorfälligkeitsentschädigung, da der Darlehnsvertrag widerrufbar oder sogar nichtig ist.
2. Vorteilsanrechnung:
Besteht ein Anspruch auf Vorfälligkeitsentschädigung, wird dieser in den meisten Fällen von der Kreditwirtschaft falsch, nämlich zu hoch, errechnet. Die häufigste Fehlerquelle ist die nicht ausreichende Quantifizierung des entfallenden Risikos und die unterlassene Berücksichtigung des sog. Fungibilitätsvorteils. Letzterer bezeichnet den Vorteil, den die Bank dadurch hat, dass sie das an sich gebundene Kapital wieder frei am Kapitalmarkt einsetzen kann und damit entsprechend den Schwankungen des Kapitalmarkts flexibel operieren kann. Dieser Vorteil ist bereits in verschiedenen von uns geführten Prozessen durch Sachverständigengut-achten bestätigt und quantifiziert worden. In dem vom BGH (XI ZR 197/96) an das OLG Bremen am 01.07.1997 zurückverwiesenen von uns bearbeiteten Fall wurde der Fungibilitätsvorteil erstmals thematisiert und durch ein Sachverständigengutachten ermittelt. In einem von uns erstrittenen Urteil des Landgerichts Düsseldorf, das rechtskräftig wurde, ist er von der technischen Universität Aachen ebenfalls ermittelt worden und vom Gericht anerkannt worden.
Da der Wiederanlagezins in den heutigen Zeiten sehr bescheiden ausfällt, fällt meistens die Vorfälligkeitsentschädigung umso höher aus. Eine Überprüfung durch fachlich versierte Anwälte lohnt sich daher.
Rechtsanwalt Wolfgang W. Ohrt